ameisen im kirschblütenhaufen

schreiben als antwort aufs schweigen

Monat: Januar, 2020

in der frühe

der frühe morgen beginnt, bevor der wecker an meinem traum rüttelt. im gewühl des bettes noch die reste des letzten tages. traurigkeit, die sich aus der nacht in den neuen tag rettet. es regnet, die welt wird gewaschen. die bäume beobachten das blinkende orangefarbene licht vom wagen der berliner stadtreinigung. am morgengrauen himmel die ersten frühlingsvögel. am schreibtisch der gescheiterte versuch eines gedichtes. auf dem kalender wird heute robert musil aus dem mann ohne eigenschaften zitiert, der die muskelkraft eines bürgers, der einen tag lang ruhig geht, als bedeutend und größer als die eines athleten beschreibt. die katze miaut, als sie ins zimmer kommt. es regnet immer noch. ein paar dunkle anoraks gehen mit gesenktem kapuzenkopf am fenster vorbei. dahinter ein radfahrer in gelber regenjacke. irgendwo hunde, die mit menschen spazieren gehen. dieser donnerstag fühlt sich an wie ein montag, doch es ist tatsächlich donnerstag. und es ist ende januar, der sich schon anfühlt wie frühling.

© mp

unruhig

am späten nachmittag war ich auf dem weg
in die stadtbibliothek
ein buch musste zurück dorthin
die 40 geheimnisse der liebe von elif shafak
ich trug es durch die belebten straßen
im herzen: diese widerspenstige liebe
& ich sah menschen in cafés
gedankenversunken aus dem fenster sehend
ich ging weiter
vorbei
am copy-shop & doch nicht kopiert
ich war sicher
dass ich es nicht erneut lesen würde
dachte also kann ich es lassen
mich mit dem unnützen zu beschweren & anhäufen
möchte ich nur noch das schöne
in gedanken: du
es wurde langsam dunkler
ich erreichte die bibliothek
setzte mich in die dritte etage & las
mich durch einen berg ausgesuchter bücher
ich entschied mich
für einen gedichtband von fazil hüsnü daglarca
zwei weitere romane von elif shafak
& zwei sachbücher über sehnsucht & sabotage
an der ausleihe schob ich die bücher über den tisch
ich wartete auf die quittung die kam
& ein junger typ der seine karte so auf das gerät legte
dass sie nicht gelesen werden konnte
ich half ihm
er sah mich an & schenkte mir ein lächeln
das ich bis zur tür trug
dann trat ich hinaus auf die straße
& ging langsam heim
mit den büchern im rücken
& im herzen: du

© mp

über nähe und distanz

den abstand finden
wie etwas verlorenes
das es braucht
um nicht mehr abstand
zu brauchen
immer wieder neu
sich annähern
an den abstand
an die nähe
(zu allem) finden
was es braucht
um dem nah zu sein
was ich brauche
um damit den abstand
zu überwinden
oder den richtigen
abstand zu finden

© mp

jean-michel basquiat, doku

kunst_naht

ich bin immer noch
in dieser seltsamen verfassung
dass ich mich hier befinde
& dort die (absurde) welt
ich wandere in mir
& hinaus in die welt
gehe ich & sehe ich
das malen zeichnen & schreiben
ist das dazwischen
der versuch zu erfassen
das vermischen
von innen & außen
kunst & literatur
als vermittler
& brücke
– die naht
zwischen den welten

© mp

computer sind doof II

hallo ihr lieben, kleiner hinweis: ich habe akute computerprobleme. mein laptop hängt sich immer wieder auf, es hängt und hängt und hängt und hängt – zwischen 2 und 10 minuten pro klick, ganz egal, ob ich ein video aufrufe, etwas posten will, oder etwas in ein dokument schreiben möchte. deshalb schreibe ich derzeit meine gedichte per hand in eine kladde, was mir sehr gut gefällt. anscheinend werde ich gerade in meinen bemühungen um einen neuen weg vom universum unterstützt, indem es mir die technik versagen lässt – es hängt und hakt, es zieht sich hin. ich übe mich also in geduld, lasse immer wieder den virenscanner übers laptop laufen und euch lasse ich musik und meinen hinweis hier und sage einfach mal: bis bald. so der computer will. liebe grüße m.

♫ ♩ ♬

vorübergehend

bisweilen erscheint einem manches absurd. so ergeht es mir gerade und bezieht sich auf das bloggen, das leben, das schreiben, das malen, das zeichnen, das sprechen, neujahrswünsche. als wäre alles ein stück von mir weggerückt sehe ich es und denke: wofür ist das denn gut? und finde keine antwort, jedenfalls keine, die sagt: mach weiter so. eher: ich muss weiter, aber anders. und wie und wohin? wird sich zeigen. nun könnte man annehmen, dass man dem, was einem absurd erscheint, also nicht mehr folgt, das, was einem absurd erscheint aufgibt, sein lässt, doch dem ist nicht so, zumindest nicht in meinem fall, doch die frequenz und intensität mit der ich es tue, hat sich verändert. ich folge meinem empfinden und staune darüber, was der kopf mir alles erzählen will, welche gedanken er mir auftischt. dem kopf darf man nicht alles glauben, sowieso.

(tagebuchnotizen, januar 2020)