ameisen im kirschblütenhaufen

schreiben als antwort aufs schweigen

Tag: Gedicht

geräusche

heute früh spürte ich
den hauch einer bewegung
in meinem seeleninnern
als justierte sich etwas neu
es war als ginge ich
auf einem weg voller laub
in einem dichten wald
ein leichter wind wehte
unter meinen füßen
knackten äste

© mp

putz

die glaubenssätze
glauben es
sie glauben fest daran
dass wahr ist
was sie sagen
deshalb sagen sie es
immer wieder

es ist wie eine predigt
ins innere hinein
während du wach bist
während du schläfst
wie eine standpauke
im orchester der sätze
schallt es durch dich

[diese vertrauten
anvertrauten auch
unvertrauten
unverdauten sätze]

sie sind
unglaubwürdig
doch du glaubst sie
dummerweise
irgendwie

[vielleicht durch die
dauerbeschallung
– die zermürbende]

es wird zeit
sie von der kanzel zu vertreiben
die falschen glaubenssätze
zu verungültigen
dich nicht mehr von ihnen
schikanieren zu lassen

[wenn du nur wüßtest wie]

© mp

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2023

das neue jahr ist hell noch
ein paar graue wolken
die vielleicht zuviel gefeiert haben
oder letzte nacht zu oft gestört wurden
von reißenden keifenden silvesterraketen
die wolken verziehen sich langsam
der himmel ist nun klar und weit
hoffnungsfroh beginnt
das neue jahr

© mp

ich wünsche allen ein gutes neues jahr. 🙂

schwung

ein goldfisch im glas
macht blubb blubb an der scheibe
wind geht darüber
eine welle hebt ihn hoch
dann taucht er wieder unter

© mp

erinnerungen

in london fahren
rote busse in straßen
vorbei an bildern
der queen. überall blumen
und die fahnen auf halbmast.

© mp
(sept. 2022)

© mp

dies ist eines meiner ersten tanka-gedichte. es ist nicht das stärkste, aber das macht nichts. ich will euch schon eine weile vom urlaub erzählen, aber irgendwie fließt es nicht so richtig. deshalb nun dieser weg, vielleicht will ja noch mehr erzählen. 🙂

mitte oktober

bedeckt vom herbstlaub
sind die berliner straßen
der wind bläst hindurch
fröhlich flattern die blätter
und lachen auf dem gehsteig

© mp

tanka ist eine japanische gedichtform, die ohne reim auskommt. aus ihr sind haiku und senryu entstanden (5-7-5 silben) und ähnlich in der struktur (5-7-5-7-7). bislang hatte ich nur haikus und senryus geschrieben, da ich eher die freien verse liebe und schreibe, aber diese kleine form reizte mich dann doch irgendwann. das ist lange her und nun war ich neugierig auf das tanka. normalerweise geht es in den kleinen gedichten um die natur (haiku und tanka), um besondere momente (und um gefühle im senryu). ich habe das inhaltlich ausgeweitet und in verschiedene thematische richtungen geschrieben, um die form des tanka auszuprobieren. besondere momente gibt es meiner meinung nach nicht nur in der natur da draußen, sondern auch in und mit der natur des menschen. hier habe ich eines ausgewählt, das zur jahreszeit passt. viel freude beim lesen.

gedicht

dies ist kein gedicht
hier stehen nur
ein paar worte herum
die mir aus dem stift
gefallen sind
niemand hat sie
weggeräumt
deshalb stehen sie hier
und tun so
als seien sie
ein gedicht

©mp

irgendwo

irgendwo
vielleicht eine insel
vielleicht im kopf
oder herzinnen
irgendwo
fühlen und denken
irgendwo
ist einer
mir insel
irgendwo
im herzen verinselt
du

©mp

überlistet

die list
der liste
die auflistet
was du vergisst

die list
der liste
die listet
was vergessen ist

die liste
ist arg
die arglist
der liste ist
dass du dich
selbst vergisst

die list
der liste
die dich vergisst
macht
dass du dich
selbst vermisst

©mp

da_sein (gewidmet)

du bist da
& nicht da
ich bin hier
& nicht da
& jetzt
bist du hier
um zu sehn
ob ich da bin
also hier
da bin ich
doch hier
bin ich nicht
ich bin bei dir
der du
nicht da bist
der du nicht
hier bist
bei mir

© mp

 

(25.04.2022)

gewicht

wie schwer es ist
& was es braucht
ein gedicht
zu schreiben
spüre ich besonders
wenn ich keines
schreiben kann

© mp

bewegt

das jahr ist müde
geworden
die tatzen blättern
ausgestreckt & träge
durch die bäume
dann legt es sich
in seinen letzten stunden
behutsam schlafen
ein seufzen geht durch
die leichte winterluft
bald ist es vergangen
es wartet schon
das neue jahr

© mp

eilig

der paketbote war eben da
es liegt noch
die orange
auf dem regal im flur
ich wollte sie ihm schenken
denn die nikoläuse sind alle
er gab mir ein paket
für mich und eines
für meinen nachbarn
ich nahm sie an
stellte sie hin
griff die orange
schaute in den flur
kein mensch zu sehen

© mp

versuche

ich vermisse meine gedichte
es ist wirklich so
die zeit hat meinen worten
den boden unter den füßen.
hier und da der versuch
etwas festzuhalten
ein bild
ein eindruck
ein gefühl
dann verwischt wieder alles
wie im nebelschleier.
doch die worte wollen
und ich lass sie dürfen.
einen anfang machen
ist wichtig
immer wieder.

© mp

wer

wer sieht hin
wer blickt durch
wer sieht was
wer sagt was
wer sagt nichts
wer verfolgt
wer befolgt
wer bedroht
wer erkennt
wer versteht

© mp